„Was brauche ich wirklich? – Ein Interview mit Christa Bausch zum Klimafasten-Wochenthema „Dinge (ver)brauchen“

Christa Bausch leitet ehrenamtlich den Gifhorner Weltladen mit integrierter Begegnungsstätte „Café Aller“ für Flüchtlinge. Sie baute den im Januar eröffneten Unverpackt-Laden in Gifhorn mit auf. Sie ist Mutter, lebt in Gifhorn und engagiert sich in der katholischen St. Bernward-Gemeinde Gifhorn. Sie arbeitet bei Volkswagen in der Systemanalyse und im IT-Projektmanagement.

Das Interview wurde am Freitag, 3. März durch die past. Mitarbeiterin Christine Cordes geführt.

Christine: Vielen Dank, dass Du Dir heute Zeit nimmst und Fragen zum Klimafasten-Wochenthema „Dinge (ver)brauchen“ beantwortest. Du arbeitest hier im Weltladen Gifhorn ehrenamtlich. Wie bist Du dazu gekommen?

Christa: Ich habe damals mit meinen Kindern beschlossen, dass ich noch neben meiner Arbeit bei Volkswagen etwas machen möchte. Es fing vor 20 Jahren mit den Bernward-Lerchen und dem Orgelspielen an. Und dann ist eins nach dem anderen dazu gekommen. Ich war mal im Kirchenvorstand, dann hatten wir in Bernward den Frauenkreis und da hatten wir schon über Weltläden gesprochen. Wir haben festgestellt, dass uns hier ein Weltladen fehlt. So haben wir lange gesucht, wie wir das ökumenisch in der Stadt realisieren können. Da gab es mit dem damaligen Superintendenten Thiel die ersten Ideen im evangelischen Kirchturm. Das hat alles nicht ganz so geklappt. Und dann gab es 2015 / 2016 das erste Weihnachtspostamt für Flüchtlingskinder und wir sind da bei der Suche nach einem geeigneten Ort über diese Immobilie gestolpert. Und Martin Wrasmann (Pastoralreferent i.R.) meinte dann, dass man hier das Flüchtlingscafé, eine Begegnungsstätte für Flüchtlinge, mit dem Weltladen integrieren könnte.

Christine: Das heißt hier war zunächst das Flüchtlingscafé „Café Aller“ drin?

Christa: Nein, wir haben mit dem Weltladen angefangen. Wir haben im August aufgemacht und das Café im November / Dezember 2016.  Und dann haben wir uns organisiert. Aus dem Frauenkreis habe ich einige angesprochen und da waren dann zwei, drei dabei… so die Historie. Und dann überrollt es einen, denn so nebenbei einen Laden zu führen, ist doch ganz schön anstrengend. Aber inzwischen haben wir uns gut organisiert, so dass wir mit dem Arbeitspensum gut über die Runden kommen.

Christine: Wie viele Mitarbeitende seid ihr?

Christa: Also wir sind so etwa 30 Ehrenamtliche mit unterschiedlichen Funktionen. Etwa 23 oder 24 Personen teilen sich den Ladendienst. Und dann haben wir noch Leute im Hintergrund für Einkauf, Lagerbuchung, Buchhaltung, Schaufenster- und Vitrinengestaltung, Kleiderauswahl. Und ich bin das Mädchen für alles.

Christine: Also Du koordinierst das alles?

Christa: Ich schimpfe mich immer die Geschäftsführung, weil irgendeiner muss ja den Hut auf haben. Ich bin auch im Vorstand im Weltladenverein, der die Trägerschaft hier hat. Und ich kümmere mich auch um das Kassensystem und um die IT und was so anliegt. Es muss ja laufen. Es hängen ja Projekte dran und die Miete muss ja bezahlt werden.

Christine: Wieviel Stunden bist du hier ungefähr pro Woche?

Christa: Ich würde mal vermuten 20 bis 30 Stunden. Weil ich ja viel am Wochenende arbeite und da mach ich die meiste Zeit hier. Es ist schon ein sehr tagesfüllendes Hobby geworden und es war mit Sicherheit nicht meine Vorstellung damals. Aber es passt. Ich bin dankbar, wenn mir Arbeit abgenommen wird. Aber es macht auch unheimlich Spaß. Man lernt viele Leute kennen, die alle so gedanklich auf der gleichen Wellenlänge schwimmen.

Christine: Welche Philosophie wird im Weltladen verfolgt? Und stimmt das mit den Philosophien der Großhändler überein?

Christa: Ja, der faire Handel steht über allem. Und das heißt immer, dass die Arbeitnehmer fair bezahlt werden und fair behandelt werden. Also, dass die Arbeitnehmer eine Sicherheit haben und wenn etwas passiert, wie z.B. wenn der Kaffee-Kurs in den Keller geht, dass man sie nicht hängen lässt. Genau das Gegenteil, was man so unter der kapitalistischen Wirtschaft versteht. Wo man einfach schaut, wo bekommt man was zum besten Preis und wie das produziert wird, ist egal. Das hier ist genau der Gegenentwurf. Da sind wir mit unseren großen Playern und auch mit den Kleineren schon auf einer Wellenlänge. Und wir haben mit dem Weltladen-Dachverband eine Institution hinter uns, die darauf achtet, dass da die richtigen Lieferanten im Lieferantenkatalog sind.

Christine: Und dafür ist ein Dachverband super…

Christa: Ja, dafür ist so ein Dachverband einfach klasse. Das kann ein einzelner Weltladen ja gar nicht leisten. Die Weltläden sind ja vor etwa 40 bis 50 Jahren aus alternativen Bewegungen entstanden. Und damals hat sich keiner Gedanken über einen Dachverband gemacht. Jeder hat seine Connections einfach genutzt. Und es gibt dadurch viele Kleinprojekte. Und die lässt der Dachverband einfach zu. Und überhaupt Demokratie ist sehr groß geschrieben. Eine Mitgliederversammlung dauert sehr lange, aber es wird alles ausdiskutiert und demokratisch entschieden. Das finde ich toll. Und es sind alle aktiv dabei.

Christine: Achtet ihr auf Reduce-Reuse-Recycle? Initiiert ihr da etwas?

Christa: Also an der Stelle initiieren wir da nichts. Aber unsere Produzenten achten da sehr darauf. Sie nutzen sehr viel recyceltes Material. Wir haben sehr viele Taschen, die aus Abfällen oder schon benutzten Materialien hergestellt werden. Schmuck aus Altsilber. In den Körben und Wäschekörben sind alte Saris drin. In den Ländern wird sowieso wesentlich mehr darauf geachtet, es nochmal zu verwenden statt wegzuwerfen. Und das ist ein gutes Konzept. Auch in der Kleidung wird gebrauchte Baumwolle oder auch recyceltes Material verarbeitet. Unsere Fashion hier ist so mein Steckenpferd. Da kann man zeigen, dass faire Kleidung schön, modern und qualitativ hochwertig ist.

Also wir bemühen uns, wobei es da schon noch seine Grenzen hat. Wir haben da Verbesserungspotenzial. Zumindest was den Verpackungsbereich betrifft. Also das ist etwas, was uns ärgert. Wir haben hier echt ein Müllproblem. Die Dinge werden in Kartons geliefert und wenn es nur die Kartons wären! Aber leider ist es eben ganz oft bei der Kleidung, dass dies noch in Folie verpackt ist, auch wenn es die biologisch abbaubare Folie ist. Uns wird erklärt, dass dies aus Qualitätsgesichtspunkten so sein muss. So dass die Ware hier unbeschädigt ankommt. Da gehen wir auch mit dem Dachverband dagegen vor. Es ist ein Irrsinn. Wir packen es hier aus und führen es dem Recycling zu. Aber das betrifft ja nicht nur den fairen Handel. Das betrifft alle Lieferketten. Und dass man es im Transportbereich noch nicht geschafft hat etwas nachhaltiges zu schaffen? Wir haben einen Hersteller, der tatsächlich wiederverwendbare Transportkisten benutzt, die man zurückschicken kann. Warum geht das nicht bei allem? Und warum kann man das nicht einfach gesetzlich vorschreiben? Da gibt es noch Verbesserungspotenzial.

Christine: Im Februar waren die Entwicklungsministerin Svenja Schulze und der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil in Ghana. Sie haben einen der weltgrößten Secondhand-Märkte in Ghanas Hauptstadt Accra besucht. Es sind dort Berge von Müll. Die Hälfte der Klamotten, zumeist Fast Fashion, ist für den Weiterverkauf und für die weitere Verarbeitung unbrauchbar und landet dort auf dem Müll. Die Folgen sind katastrophal. Chemikalien gelangen in Gewässer, Kleidung verstopft Kanäle und sorgen für Überschwemmungen. Menschen werden krank.

Christa: Und eines der Probleme ist auch, dass wir häufig Mischmaterialen von Synthetik und Baumwolle haben. Dies wird schlecht trennbar sein. Bei uns gibt es nur Kleider aus Baumwolle oder Tencel. Baumwolle ist biozertifiziert. Kleidung kann dann wieder verwertet werden. Ich wundere mich über manche Großhersteller, wie H&M. Die bieten ja nun an, dass man seine Klamotten wieder abgeben kann. Und sie bieten auch recycelte Ware an. Aber die Qualität ist trotzdem irgendwie miserabel. Dann merkt man doch immer wieder, sie sind am schnellen Profit interessiert. Wir müssen uns da einfach mal umstellen. Wichtig ist doch die Frage: „Was brauche ich denn wirklich?“ Also nicht konsumieren, um zu sagen: „OK, meine Lieblingsbeschäftigung ist Shoppen.“ Sondern wirklich zu überlegen, ich gehe einkaufen, weil ich was brauche. In der Modeindustrie kommt ja alle vier Wochen eine neue Kollektion raus. Neue Farben, neuer Schnitt, neues Muster. So viel kann ja kein Mensch anziehen.

Christine: Wie wird das hier mit den Kollektionen gehandhabt?

Christa: Unsere Anbieter haben vier Kollektionen im Jahr nach den Jahreszeiten. Wobei eigentlich immer Frühjahr/Sommer und Herbst/Winter eine Saison sind. Wir lassen zum Teil Saisons aus. Wir haben einfach auch ein Lagerproblem. Also wenn ich hier etwas nicht abverkauft kriege. Wir haben auch ein Sale mit Einzelteilen. Aber wenn es trotzdem nicht verkauft wird, dann geben wir das dem Sozialkaufhaus Aller-Kaufhaus nebenan. Wir sind gemeinnützig und dürfen keinen großen Gewinn machen. Wir refinanzieren nur den Laden.

Christine: Zum Gifhorner Unverpackt-Laden Allermarkt. Was kannst du dazu sagen?

Christa: Es läuft seit Anfang Januar. Und da sich so ein Unverpackt-Laden erfahrungsgemäß nicht alleine trägt, ist das ein Markt in Kooperation mit dem Weltladen und dem Isenbütteler Bio-Hof und einem Mittagstisch. Die Idee ist sehr gut. Der Mittagstisch wird auch gut nachgefragt. Und da werden wir noch mit Sitzplätzen aufrüsten müssen. Dafür benötigen wir aber noch Kundentoiletten.

Christine: Und wie ist bisher die Nachfrage?

Christa: Eigentlich ist alles ganz gut angelaufen. Aber das Zugpferd ist die Küche. Wenn die Küche gut läuft, läuft der Rest auch gut. Im ersten Monat war das Kaufverhalten noch etwas verhalten, weil sich viele Leute das erklären haben lassen, wie das funktioniert.

Christine: Wie funktioniert das?

Christa: Eigentlich ganz einfach. Du kommst mit deinem Behälter dort hin, stellst ihn auf die Waage und wiegst das Leergewicht und füllst das Produkt ab. Dann merkst du dir die BIN-Nummer, weil darüber kassiert wird. Und wenn man mehr kaufen möchte und sich die BIN-Nummer nicht merken kann, dann gibt es Aufkleber, wo man sich das draufschreiben kann.

Christine: Wie ist es mit Allergikern bzw. wie ist der Umgang mit den kritischen Allergenen wie z.B. Erdnuss oder Haselnuss?

Christa: Ja, wir haben versucht so zu trennen, dass Allergiker da hoffentlich problemlos einkaufen können. Aber es gibt zum Beispiel gar keine unverpackten Erdnüsse. Weil das eben ein großes Allergiker-Risiko ist. Es gibt nur unverpackt Cashews und eine Nussmischung. Und da sieht man schon, dass Erdnüsse drin sind. Und es ist auch voneinander getrennt. Die Behälter werden auch immer gleich benutzt bzw. gespült. Wir bemühen uns da schon sehr. Wir achten auch beim Abfüllen darauf, dass nur ein BIN abgefüllt wird und nicht gleichzeitig mehrere.

Christine: Insgesamt heißt das: Bewusst Einkaufen. Ich gehe Einkaufen mit der Frage: „Was brauche ich?“ Also welche und wie viele Behälter nehme ich mit…

Christa: Ja, genau das muss geplant werden. Ganz spontan einkaufen ist nicht angedacht. Wir haben zwar immer leere Gläser da, so dass man spontan einkaufen kann. Aber die Idee und die Philosophie ist schon dahinter, dass man geplant und mit der Frage „Was brauche ich?“ einkaufen geht. Und es ist auch regional.

Christine: Kann man eine angemessene Bandbreite an Produkten anbieten, so dass auch Kunden nachfragegerecht bedient werden?

Christa: Also es wird alles angeboten, was der Biohof in Isenbüttel liefern kann und die Bio-Gärtner in der Diakonie Gifhorn. Also regionale Ware. Aber der Kunde ist schon sehr verwöhnt. Daher haben wir noch einen Biolieferanten, der uns weitere Ware zuliefert, die wir hier nicht haben, aber zumindest aus Deutschland kommt. Das ist das Maximum an Regionalität. Aber es gibt hier auch Biobetriebe, die im Winter Tomaten unter Glas ziehen. Wir wollten so etwas ja eigentlich nicht. Keine Tomaten, keine Gurken im Winter. Aber das lässt sich dem Kunden im Moment noch nicht vermitteln. Nur bei speziellen Sachen, wie jetzt Erdbeeren oder Spargel… Aber man wird im Allermarkt nie alles bekommen.

Christine: Und was ist mit Produkten, die bald ablaufen?

Christa: Die werden günstiger verkauft oder wir geben sie an die Tafel weiter.

Christine: Vielen lieben Dank für das Gespräch! Eine abschließende Zusammenfassung…

Christa: Wie gesagt, Einkaufen ist kein Erlebnis und keine Freizeitbeschäftigung, sondern das Decken der Bedürfnisse. Vielleicht sollten wir uns Gedanken machen: „Was brauchen wir denn wirklich?“

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