
Wir schaffen das
Vor genau 10 Jahren hat die damalige Kanzlerin Angela Merkel dieses denkwürdige Zitat formuliert: „Ich sage ganz einfach: Deutschland ist ein starkes Land. Das Motiv, mit dem wir an diese Dinge herangehen, muss sein: Wir haben so vieles geschafft – wir schaffen das! Wir schaffen das, und dort, wo uns etwas im Wege steht, muss es überwunden werden, muss daran gearbeitet werden.”
Zehn Jahre nach Beginn der Flüchtlingsbewegung 2015 steht eine positive Resonanz. Der Satz der Bundeskanzlerin war nicht naiv, er war vielmehr programmatisch. Heute haben erfreulich viele Geflüchtete eine Ausbildung, eine Arbeit und einen Platz in der Gesellschaft. Über 2/3 der Geflüchteten Menschen zwischen 18 und 64 Jahren, die seit 2015 nach Deutschland gekommen ist, gehen heute laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) einer Erwerbstätigkeit nach. Ein Erfolg vor allem der Flüchtlingsarbeit vor Ort. Ohne das gute Zusammenspiel von haupt- und ehrenamtlichen Kräften wäre das nicht zu schaffen gewesen.
Wo Integration gefördert wird, gelingt sie auch meistens und Deutschland hat profitiert: durch Verstärkung am Arbeitsmarkt, gute Nachbarschaft, Hilfsbereitschaft und Vielfalt im Land. Wenn wir es schaffen, demokratisch legitimiert mit Menschen unterschiedlicher Kultur und Geschichte zurechtzukommen, dann haben wir ein gutes, zukunftsfähiges Gesellschaftsmodell, das den wohl bekanntesten Satz aus dem Grundgesetz “Die Würde des Menschen ist unantastbar“ Alltag werden lässt. Dieser Satz steht im guten Einklang mit dem biblischen Menschenbild. Deshalb betonen wir auch immer und immer wieder, dass jeder Mensch ein Original Gottes ist und seinem Ebenbild entspricht. Jeder Mensch ist von Gott gewollt, ohne Unterschied. Deshalb darf die Menschenwürde auch nie auf eine Gruppe von Menschen beschränkt werden. Alle Menschen sind von Gott geschaffen und deshalb auch gleich viel wert, diese Botschaft macht vor keiner Grenze halt.
Rechtsextremisten behaupten genau das Gegenteil. Sie betonen nicht die Gleichheit der Menschen, sondern ihre Ungleichheit. Ausgangspunkt ihrer Überzeugung ist die Rassenideologie der Nazis. Schon sie gingen von der Ungleichheit der Menschen aus. Aufgrund unterschiedlicher Herkunft, Kultur und Erziehung sind Menschen in ihren Augen eben nicht gleich viel wert. Wir Christen widersprechen aber dieser Ideologie. Sie steht in krassem Gegensatz zu unserem Grundsatz, dass Gott der Schöpfer aller Menschen ist, unabhängig von Hautfarbe, Religion oder kulturellem Hintergrund.
Der größte Widerstand gegen eine rechtsradikale Entwicklung entsteht durch Haltung und Tat und bewährt sich an der Frage, wie wir z. B. mit den geflüchteten Menschen umgehen, an ihrem Schicksal nicht vorbeisehen, sondern uns ihnen zu wenden, „weil wir von Gottes Art sind“, wie es der Apostel Paulus auf dem Areopag den Athenern zuruft. Jesus gibt die Richtung vor: Hinsehen ist die Grundkategorie, die uns das Evangelium mit auf den Weg gibt. Im Umgang mit den Geflüchteten zeigt sich die Größe und Stärke der christlichen Botschaft oder eben nicht. „Wir schaffen das – auch weiterhin“, weil unser christlicher Auftrag in diesem Anliegen alternativlos ist,
glaubt Ihr Martin Wrasmann, Pastoralreferent i. R.